Abschluss- und Auftakttagung für KIM 1&2: "Verantwortung übernehmen - Perspektiven eröffnen!"
Die Lebensrealität von Kindern ist heute von Anfang an durch digitale Medien mitbestimmt. Doch wie können KiTas dem begegnen und in ihren Bildungsauftrag integrieren? Die kindgerechte Medienbildung stand im Fokus einer ausgebuchten gemeinsamen Tagung von Blickwechsel, nifbe und CEDER in der Schlossaula der Universität Osnabrück. Sie bildete den Abschluss der vom Niedersächsischen Kultusministerium geförderten ersten Qualifizierungsphase „KIM – Kindgerechte Medienbildung“ (2022 – 2024) sowie zugleich den Auftakt zur zweiten Runde (2024 – 2026). Moderiert wurde die Tagung von nifbe-Transfermanagerin Gerlinde Schmidt-Hood, die gleich zu Beginn klarstellte: „Medienbildung ist kein Selbstzweck, sondern dient der Unterstützung und Förderung des kindlichen Lernens.“

Kultusministerin Julia Willie Hamburg unterstrich in ihrem digitalen Grußwort, dass das Thema Medienbildung heute aus den KiTas nicht mehr wegzudenken ist „und einen elementaren Einfluss auf die Arbeit hat“. Neben dem Recht der Kinder auf digitale Teilhabe gehe es darum, in der KiTa dem „allgegenwärtigen Einfluss von Medien pädagogisch zu begegnen und zu bearbeiten“. Ziel müsse es sein, Kindern zu einem „kompetenten, kreativen und kritischen Umgang mit Medien“ zu befähigen. Dafür bräuchten Fachkräfte Unterstützung und Qualifizierung und dazu diene die landesweite Qualifizierungsinitiative „KIM – Kindgerechte Medienbildung“, die vom Blickwechsel e.V. und nifbe e.V. umgesetzt wird.

Einen Rückblick auf den ersten und einen Ausblick auf den zweiten KIM-Durchgang bot den rund 150 Teilnehmer*innen Susanne Roboom vom Blickwechsel. Zu Beginn der Qualifizierungsinitiative seien gemeinsam von Blickwechsel und nifbe 40 sogenannte „KIM-Coaches“ ausgebildet worden, die in der Folge 80 kostenlose Inhousemaßnahmen in KiTas mit anschließender Prozessbegleitung durchgeführt haben. Im Fokus habe dabei die „Vermittlung von medienpädagogischen Grundlagen sowie auch die Zusammenarbeit mit Eltern“ gestanden. Darüber hinaus sei aber auch die flächendeckende Vernetzung von Akteuer*innen der Medienbildung in Niedersachsen ein Ziel der KIM-Qualifizierungsinitiative. In der zweiten Qualifizierungsrunde können sich nun weitere 80 KiTas mit einer Kostenbeteiligung von 1.000 Euro für eine Kindgerechte Medienbildung qualifizieren. Weitere Infos und die Interessenbekundnung dazu
finden Sie hier.
Hohe Zufriedenheit und deutlicher Kompetenzzuwachs

Wie die Qualifizierungsangebote in der Praxis ankommen, zeigte nifbe-Transferwissenschaftlerin Kassandra Klumpe anhand der Evaluationsergebnisse des ersten KIM-Durchgangs auf. In einer Online-Prä- und Postbefragung gaben die Teilnehmer*innen u.a. Auskunft zu ihren Einstellungen, den pädagogischen und technischen Kompetenzen zum Thema Medienbildung sowie zu ihrer Zufriedenheit mit der Qualifizierung. Der Aussage „Ich kann Kindern den Umgang mit für sie geeigneten Medien und Anwendungen nahebringen und ihnen die zentralen Funktionen erklären“, haben so in der Prä-Befragung 42% (von 982 Befragten) und in der Post-Befragung 81% (von 422 Befragten) voll oder eher zugestimmt , woraus sich ein erheblicher Kompetenzzuwachs schließen lasse. Nach der Qualifizierung waren der Befragung zufolge insgesamt auch rund 85% der Meinung, dass die KIM-Coaches medienpädagogische Themen nachhaltig in der KiTa verankert hätten und dass es entsprechende konkrete Umsetzungsideen gebe. Gut 80% waren „sehr“ oder „eher“ zufrieden“ mit der Inhouse-Maßnahme.
Im Rahmen der Tagung bekamen KIM-Coaches von Karla Klocke aus dem Kultusministerium auch ihre Zertfikate überreicht
Zentral: Zusammenarbeit mit Eltern

In einem Podiumsgespräch stellte die Moderatorin Gerlinde Schmidt-Hood im Anschluss das Tagungs-Motto "Verantwortung übernehmen – Perspektiven eröffnen" aus verschiedenen Blickwinkeln in den Mittelpunkt. Dabei konstatierte Sabine Eder, Geschäftsführerin vom Blickwechsel e.V., dass gelingende Medienbildung eine aktive Zivilgesellschaft braucht, die umdenkt und sich stark macht: „Statt Kinder vor Medien zu bewahren und zu beschützen, müssen wir sie dazu begleiten und befähigen, in unserer Mediengesellschaft souverän leben und handeln zu können.“ Sie unterstrich, wie wichtig Eltern dabei als erste Vorbilder ihrer Kinder sind und das bei der Medienbildung in der KiTa so auch die Zusammenarbeit mit Eltern entscheidend sei.
Prof. Dr. Dominik Krinninger von der Universität Osnabrück / CEDER nahm diesen Faden auf: „Familien sind konstitutiv digitale geworden und Kinder wachsen von Anfang an mit digitalen Medien auf. Dieser Realität muss Forschung und Praxis begegnen“.
Als nifbe-Vorstandsmitglied und Leiterin der Heimvolkshochschule Ohrbeck freute sich Franziska Birke-Bugiel darüber, dass 40 qualifizierte und für ihr Thema brennende KIM-Coaches in ganz Niedersachsen als Referent*innen eingesetzt werden können.Die betonte die Bedeutung der Erwachsenbildung und eine entsprechende Verzahnung mit dem nifbe: „Gemeinsam müssen wir den Weg der Qualifizierung beschreiten und bedarfsgerechte Angebote für die KiTa-Praxis machen.“
Wie wichtig es ist, dass auch die Kommune für Medienbildung von Anfang an Verantwortung übernimmt, zeigte Sandra Gottwald anhand der Stadt Wolfsburg auf: Als kommunale Fachberaterin hat sie hier eine umfassende Rahmenkonzeption zur Medienbildung in frühkindlichen Bildungsorten mit entwickelt, die eine wichtige Grundlage und Orientierung für die Praxis bietet. Das Rahmenkonzept sorgt für eine nachhaltige Verankerung des Themas in der Politik und Verwaltung. Dies bestätigte auch die Wolfsburger KiTa-Leiterin Anna-Lena Schulte, die eindrücklich von der Verbindung von analoger und digitaler Bildung in ihrer KiTa-Praxis berichtete. Als regelrechten "Gamechanger" bezeichnete sie die sowohl analog wie digital stattfindende Portfolioarbeit der Kinder und die digitale Kommunikation mit den Eltern darüber.
Differenzierter Blick auf das Thema Medienbildung

Prof. Dr. Helen Knauf von der Hochschule Bielefeld bot in ihrem sich anschließenden Auftaktvortrag noch einmal eine theoretische Rahmung des Themas Medienbildung und würzte sie mit vielen Praxisbeispielen. Sie wies auf eine lange Zeit und zuweilen immer noch stark durch ein „Entweder-Oder“ und ein „Schwarz-Weiß“ dominierte Debatte um die frühe Medienbildung in der KiTa. Und selbstverständlich seien mittlerweile negative Auswirkungen einer exzessiven Mediennutzung in den ersten Jahren durch Studien bewiesen, aber dies betreffe nur eine kleine Anzahl von Kindern unter sechs Jahren. Für die meisten anderen sei das freie Spiel und das Draußensein noch immer die wichtigste und überwiegende Aktivität. Sie plädierte daher für einen differenzierten Blick auf die (digitalen) Medien und unterstrich „Nicht die Bildschirmzeit ist entscheidend, sondern die Kontextfaktoren unter denen sie stattfindet.“ Aufgabe von Eltern und Fachkräften sei es grundsätzlich, den Kindern ein vielfältiges und anregungsreiches Aufwachsen zu ermöglichen und ihnen dabei auch entwicklungsangemessen einen kompetenten, kritischen und kreativen Umgang mit digitalen Medien zu ermöglichen. Medienbildung sei zugleich ein Kinderrecht wie auch ein Bildungsauftrag von KiTas.
Vier Grundprinzipien
Als vier Prinzipien für die Medienbildung in der KiTa hob sie folgende heraus:
- Kreativität: Kreative, konstruktive Nutzung statt konsumierend
- Kritik: Reflexion über Funktionsweisen, Herstellung und Wirkungen
- Sicherheit: Risikofrei, altersangemessen, mit und ohne Bildschirm
- Alltagsintegration: Selbstverständlicher Teil des Kita-Alltags
Zur alltagsintegrierten Medienbildung führte Helen Knauf sechs verschiedene Zugänge auf und erläuterte sie mit vielen Praxisbeispielen:
- Gestaltung von Raum und Material
- Produktions- und projektorientierter Zugang
- Reflexiver Zugang
- Untersuchend-forschender Zugang
- Musisch-ästhetischer Zugang
- Informatorischer Zugang
Bei der Gestaltung von Raum und Material hob die Erziehungswissenschaftlerin neben digitalen Endgeräten wie dem Universaltalent Tablet und programmierbaren Spielzeug wie dem BeeBot insbesondere auch verwendungsoffenes Material wie Schwämme, Korken und Knöpfe hervor, die zum Sammeln, Messen und Vergleichen animieren und auch Hauptrollen in Trickfilmen spielen können. Ideal sei in Anklang an Reggio auch die Einrichtung eines Medien-Ateliers oder einer reinen Digitalwerkstatt, in der das eigene Tun der Kinder und die Ko-Konstruktion mit Fachkräften gefördert werde.
Digitale Welt kreativ mitgestalten
Ziel der verschiedenen Zugänge sei es, dass Kinder bereits früh erkennen, dass die digitale Welt an menschlichen Bedürfnissen ausgerichtet werden kann und dass diese sich selbstwirksam in der Rolle von Konstrukteur*innen erleben und die digitale Welt kreativ mitgestalten. Digitale Scheinwelten könnten so auch schon frühzeitig entzaubert und das MakingOff hinterfragt und erkannt werden.
Als Schritte der Umsetzung von Medienbildung in die eigenen KiTa-Praxis benannte Helen Knauf neben der entsprechenden räumlichen und materialen Ausstattung die Qualifizierung der Fachkräfte im Hinblick auf Haltung/Einstellungen und Medienkompetenz sowie die Erarbeitung einer Konzeption für die Medienbildung. Bei der Konzeption sollte die eigene Grundhaltung des KiTa-Teams formuliert werden, aber auch die Prinzipien des Umgangs mit digitaler Technik sowie die Zusammenarbeit mit Eltern.

Im Anschluss an den Vortrag konnten die Teilnehmer*innen sich in vier Workshops über zentrale Themen der Medienbildung in der frühen Kindheit informieren und sie gemeinsam diskutieren – von der (kommunalen) Vernetzung über die inklusive und alltagsintegrierte Medienbildung als Querschnittaufgabe bis hin zur Zusammenarbeit mit Eltern. Darüber hinaus bestand auf einem bunten Markt der Möglichkeiten die Gelegenheit sich auszutauschen und weitere konkrete Anregungen für die Medienbildung in der KiTa-Praxis zu bekommen – insgesamt, so Moderatorin Gerlinde Schmidt-Hood, entwickelte sich die Tagung so zu einem „Fest der Medienbildung“ mit hochzufriedenen, begeisterten und motivierten Fach- und Leitungskräften, die das Thema jetzt in ihre KiTas tragen.
Zur Tagungs-Dokumentation geht es hier
Karsten Herrmann (Text) / Holger Mack (Fotos)